Es ist wieder so weit. Die Technik-Bubble versucht mit Mühe und Not binnen weniger Tage ein neues Telefon ausführlich zu testen. Ich habe mir wie immer etwas mehr Zeit genommen. Meine Einschätzung des iPhone 14 Pro lest ihr in den folgenden Zeilen, gepaart mit einem gesamtheitlichen Blick auf den neuen iPhone-Release. Denn die Zeiten haben sich geändert.
Die neuen iPhones erinnern mich zuletzt immer häufiger an ein deutsches Auto. Die neuen Modelle funktionieren größtenteils exzellent und gehören zu den besten ihrer Klasse. Gleichzeitig können sie im Prinzip genau das gleiche wie ihr Vorgänger, tun dies eben ein kleines bisschen besser. Obendrein bekommen sie einen neuen Anstrich und einen neuen Modellnamen. Dies hat zur Folge, dass der durchschnittliche Käufer heute das neue iPhone nicht mehr wegen des neuen iPhones kauft, sondern wegen des alten. Jenes macht schlapp, ist zersprungen oder der Speicher ist voll.
Die zentrale Frage eines iPhone-Reviews ist für mich also: Wer soll es kaufen?
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Wer soll es kaufen?
Zur Beantwortung teile ich kurz in zwei Gruppen an Käufern ein. In jene, die sich an neuer Technik per se erfreuen. Und in jene, die neue Technik als Investition in eine Verbesserung im Alltag ansehen.
Solltet ihr zu letzterer Personengruppe gehören, kann ich euch beruhigen: Die Zeitersparnis durch eine dynamische Insel ist nicht existent, die Verbesserungen der Kamera nur in Extremfällen bemerkbar und Apps oder Spiele konnte auch schon das iPhone 6 schnell starten. Es wäre an der Zeit, sich von der Illusion zu lösen, Apple würde unseren Alltag durch neue Funktionen maßgeblich verbessern. Etwa durch Zeitersparnis, mehr Sicherheit oder Displayfläche. Diese tatsächlichen Fortschritte gab es zuletzt mit der Einführung der größeren Displays mit dem iPhone 6 und mit Face ID beim iPhone X. Anstatt das Datenblatt des iPhone 14 Pro zu studieren, lohnt es sich also zu überlegen, ob man im Alltag irgendwie durch das bestehende iPhone eingeschränkt wird. Beispielsweise durch einen kaputten Akku oder ein zerrissenes Display. Funktionieren diese Komponenten indessen, so ist das eigene Geld in diesen Zeiten überall besser aufgehoben, als im Rachen eines Großkonzerns.
Zählt ihr hingegen zur ersten Gruppe, so ist die Einrichtung eines neuen iPhones bereits ein Erlebnis und eine Glücksquelle für sich. Der Kauf erfolgt weniger rational als aus Gründen des Interesses an neuer Technologie. Und selbstredend ist für solche Personen – mich eingeschlossen – ein oval ausgeschnittenes Displayloch irgendwie cool. Auch eine Kamera, die bei 10-facher Vergrößerung marginal schärfer ist, fasziniert mich. Ja sogar das Gefühl, einmal wieder ein neues Gerät mit dem neusten Chip zu nutzen, macht mich irgendwie glücklich. Das mag verrückt klingen, aber so sind wir eben. Wir Technikfans. Für unsereins ist das Upgrade ab dem iPhone 12 (Pro) und älter sicherlich spannend. Das 13 Pro würde ich tatsächlich auch an dieser Stelle ausklammern, zu klein ist der Unterschied.
Das iPhone 14 Pro im Alltag
Dieser Artikel soll aber keine Philosophiestunde und auch keine moralistische Gesellschaftskritik darstellen. Deshalb kommen wir nun gerne zu allen Details, für die ihr vermutlich auf den Artikel geklickt habt. Rein also ins Getümmel!
Display
Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, die Dynamic Island fällt nicht auf. Das tut sie, und zwar positiv. Man hat zum ersten Mal das Gefühl, ein ganzheitliches Display in den Händen zu halten. Dies ist besonders bei hellen Hintergrundbildern bemerkbar, da an jeder Stelle des Displayrands Pixel leuchten und so den iPhone-Rahmen verschwindend schmal aussehen lassen. Das iPhone wirkt so vollständig wie nie. Deutlich wird dies beim kurzen Zurückwechseln auf das iPhone 13 Pro, dessen Notch irgendwie altbacken wirkt.
Und apropos Display. Es sieht fantastisch aus, obgleich dies beim Vorgänger genauso der Fall war. Und ist es jetzt heller? Dazu entbrannte zuletzt eine Debatte auf Twitter, nachdem ich zu verstehen gegeben hatte, dass ich im Alltag keine 2000 Nits spüre. Das war kein Affront gegen Apple. Im Gegenteil, ich hatte selbst bei direkter Sonneneinstrahlung nie Probleme, das iPhone zu benutzen. Ich hätte diesen Satz vor wenigen Jahren noch für unmöglich gehalten. Außerdem scheint es in Extremfällen ein bisschen heller zu sein als der Vorgänger, ja regelrecht zu leuchten. Placebo? Könnte sein. Mit großer Erleichterung kann ich jedenfalls beobachten, dass das iPhone 14 Pro nur mehr selten die Helligkeit wegen Überhitzung drosseln muss. Mein 13er tat dies im Sommer wöchentlich.
Always On Display
Ich hatte es die ersten Tage aktiviert, sodann aber schnell beobachtet, wie ich ständig darauf geschielt habe. Auch in wirklich unpassenden Momenten des Alltags. Schnell weg damit, war mein Fazit.
Design
Zum allgemeinen Design lässt sich logischerweise nicht viel sagen. Es hat sich ja nicht verändert. Ein bisschen ja, das Gerät fühlt sich erneut klobiger und unförmiger an als der Vorgänger, dem Kamerahügel sei Dank. Mittlerweile ist es ein Kameraberg geworden, mich stört er indessen nicht. Ich liebe es, Fotos zu schießen und trage gerne ein paar Gramm mehr mit mir herum. Ich würde auch ein iPhone mit fünf Linsen gerne benutzen. Aber das ist sehr subjektiv. Die beliebteste Frage meiner Kollegen war, ob es denn auf dem Tisch jetzt mehr wackelt. Diese Furcht konnte ich noch nie verstehen, ich halte mein iPhone für gewöhnlich in der Hand, wenn ich es benutze. Soll es doch wackeln, wie es will.
Das Immer-An-Display verstehe ich nicht. Es graut mir davor, durch einen ständig aktivierten Bildschirm noch mehr von der Arbeit oder Freizeit abgelenkt zu werden.
Dynamic Island
Das sich verändernde, alles verändernde, multitaskende, hast-du-das-gesehen iPhone Erlebnis ist…ach warte, entschuldigt bitte. Tut mir leid, falscher Text. Der stammt ja von der Apple Homepage und ist wirklich eine Übertreibung sondergleichen. Sofern dieses Stück Pixelschwund irgendetwas maßgeblich verändert, betrifft es das Aussehen des iPhones. Und wie oben beschrieben, gefällt mir das sehr gut. Es ist die coolste iPhone-Front, die es je gab.
Eine echte Veränderung im Alltag würde für mich jedoch bedeuten, ich könnte ab sofort Dinge erledigen, die ich bisher nicht konnte. Und dem ist nicht so. Die Musiksteuerung ist nun einfacher zu erreichen und der Timerablauf jederzeit einsehbar, na gut. Ansonsten konnte ich leider selten davon profitieren. Selbst für Musik navigiere ich am Ende meist wieder in die App selbst. Keine Frage: Das Interface und die Gesten sind exzellent umgesetzt. Animationen oder banale Telefonate sehen „todschick“ aus mit diesen Audiowellen, die zur Stimme passen. Nur frage ich mich, welches Problem Apple mit der Island lösen wollte? Es gibt nämlich leider keines.
Das Argument, da müssten jetzt einmal die fleißigen Entwickler ran, zieht für mich gar nicht. Das haben wir ja schon bei 3D Touch gesehen, welches Apple ähnlich revolutionär angekündigt hat. Und jetzt, wo sind denn die ganzen krassen 3D-Touch-Widgets? Ach ja stimmt, 3D Touch gibt es ja dummerweise nicht mehr. Verdammt.
So ähnlich könnte es meiner Meinung nach auch der Island ergehen. Die existiert so lange, wie man sie technisch braucht, und wandert dann in abgeschwächter Form ins Abseits – analog zum jetzigen „lange Tippen“ auf ein Homescreen-Icon anstelle von 3D Touch. Versteht mich nicht falsch. Jede neue Funktion hat für irgendjemanden da draußen einen tollen Mehrwert. Das mag auch für die Island gelten. Aber wer glaubt, hier ist Apple einer großen neuen UI-Revolution auf der Spur, der könnte leider schon zeitnah bitter enttäuscht werden. Das ist zumindest meine Laien-Prognose.
Das Argument, da müssten jetzt einmal die fleißigen Entwickler ran, zieht für mich gar nicht. Das haben wir ja schon bei 3D Touch gesehen.
iPhone 14 Pro Kamera(s)
Und was können die drei neuen Super-Linsen? Die Tatsache, dass ich in meinen Testfotos mehrfach iPhone 13 mit iPhone 14 Pro verwechselt habe, sagt schon vieles aus. Aber wir wollen fair bleiben, einmal der Reihe nach!
Apple hat vor allem die Schärfe des neuen 48-Megapixel-Sensor hervorgehoben sowie qualitativere Aufnahmen bei Dunkelheit. Nun sind 48 Megapixel freilich schärfer als 12, wer hätte das gedacht. Es macht richtig viel Spaß, im neuen ProRAW zu fotografieren. Irgendwie hat man das Gefühl, weniger zu verpassen und stets mehr einfangen zu können. Weil man es faktisch auch tut.
Aber wer bitteschön fotografiert in ProRAW? Ich fülle mit wenigen ProRAW-Fotos einen ganzen Gigabyte! Fotografen werden ein Fest haben. Für 98 Prozent der Nutzer ist ProRAW aber wie für uns Österreicher die Höchstgeschwindigkeit im Mercedes. Klingt cool, kann man jedem erzählen, faktisch aber nicht mehr als einmal im Jahr auf der deutschen Autobahn ausfahren. Kein Mensch würde auf die Idee kommen, sein Auto aufgrund der Höchstgeschwindigkeit zu kaufen.
Schade ist, dass Apple nicht mehr herausholen konnte für die normalen Shots mit 12 Megapixel. Vielleicht sind das aber simple physikalische Grenzen. Zaubern kann Cupertino auch nicht. Obwohl man durch super tolle KI das Zusammenrechnen von 4 Pixeln versprochen hatte, bleiben sichtliche Verbesserungen beim Weitwinkelobjektiv zumeist aus. Bei optischen Tele-Aufnahmen und auch digitalem Zoom kann das 14 Pro in der Regel das schärfere Bild erzeugen. Auch das ist aber nicht gesetzt.
Eine echte Verbesserung im Night-Mode konnte ich nicht erkennen. Punktuell sieht das iPhone 14 Pro etwas besser aus, in der Regel aber fast gleich wie sein Vorgänger. Das seht ihr gleich unten.
Die Videoaufnahmen waren vorher schon absolute Industriespitze. Mit dem sehr gut funktionierenden Action-Modus baut Apple den Vorsprung noch weiter aus. Das ist wirklich beeindruckend. Auch der Kino-Modus ist mittlerweile in einem Stadium, wo man ihn verwenden könnte. Zum Beispiel für kleine Werbefilmchen für Instagram oder Aufnahmen für die eigene Homepage.
„Lukas, jetzt laber nicht und zeig uns endlich Fotos.“Gut, ihr habt ja recht. Für meinen Test habe ich fast 300 Fotos mit 13 Pro und 14 Pro. Zu verschiedenen Tageszeiten und an ganz verschiedenen Orten. Seht hier selbst meine Ergebnisse:
Hinweis: leider können die Fotos auf Grund der Dateigröße nicht in der App geöffnet werden. Ich habt euch einige Originalaufnahmen des 14 Pro und auch ein Video in 4K hier auf Drive geladen, falls ihr euch dafür interessiert.
Szene 1: ProRAW iPhone 14 Pro bei Nacht
Und hier das gleiche Bild, nur hineingezoomt und leicht bearbeitet. Für die schwierigen Lichtverhältnisse ist das nichts weniger als beeindruckend:
Szene 2: Teleaufnahme (3-fach + digitaler Zoom) iPhone 14 Pro vs. iPhone 13 Pro
Hier ist schön erkennbar, dass das 14 Pro etwas schärfer abschneidet und zudem die Farben (z.B. Goldton der Uhr) besser trifft. Auch das Dach des Turms sieht beim 13er etwas verwaschen aus.
Verschiedene Gegenüberstellungen
Es folgen verschiedene Gegenüberstellungen, für die ich nahe genug ins Foto gezoomt habe, um die Unterschiede erkennbar zu machen. Das iPhone 14 Pro befindest sich stets links, das iPhone 13 Pro rechts:
Verschiedene Aufnahmen mit iPhone 14 Pro
Die folgenden Bilder zeigen nur Aufnahmen des 14 Pro, die jedenfalls bezeugen, wie weit Smartphone-Fotografie mittlerweile gekommen ist. Eine digitale Knipse ist beinahe obsolut geworden, bei Tag und Nacht:
Zwei richtig schöne Verbesserungen sind für mich der Umgang mit Lichtquellen (und damit HDR bzw. der ISP) sowie die Farbechtheit und Farbtreue des 14 Pro. Das 13 Pro stellte Glanzlichter für meinen Geschmack oft zu grell dar und verlor deshalb Details. Ebenso fand ich oft ein Hauch zu viel Grün im Farbmix.
Dass wir hier derart tief tauchen müssen, um Verbesserungen im Alltag zu finden, zeigt aber, wie verdammt ähnlich die beiden Kamerasysteme dann doch sind.
Akkulaufzeit, Performance, Sonstiges
Seid euch bitte bewusst, dass ich vom iPhone 13 Pro gewechselt bin. Das bedeutet, im Alltag merke ich keine längere Akkulaufzeit und auch keine Performance-Verbesserungen. Ganz anders sieht dies für Nutzer eines iPhone 12 oder älter aus. Sie werden ein Fest aus butterweichen Animationen dank 120Hz, pfeilschneller Performance, nicht existierenden Abstürzen und zumindest einer Akkulaufzeit vorfinden, die einen durch den Tag bringt. Nur ist das alles kein Grund zur Freude, sondern der absolute Mindeststandard für ein Smartphone, das mit Zubehör knapp 1.400 EUR kostet.
Mich hat mein Vater letztens gefragt, wieso sein iPhone-12-Pro-Akku denn so schlecht sei. Ich meinte etwa salopp: „Ja, das war ein schlechter Jahrgang beim Akku“. Seine Antwort traf es auf den Punkt: „Ein schwacher Trost für ein 1.400-Euro-Gerät“.
Details wie die Unfallerkennung oder auch etwaige SAT-Funktionen in den USA konnte ich leider nicht testen. Dazu findet ihr aber bereits etliche hervorragend produzierte Testberichte im Netz.
Große iOS-Bugs konnte ich nicht beobachten. Ich bin zufrieden, das Ding läuft. Lasst euch nicht von Einzelfällen in die Irre führen.
Sinnloser Luxus?
Wenn ein Displayloch, bessere RAW-Fotos für Fotografen und eine Unfallerkennung die großen neuen Funktionen sind, dann sind wir weit gekommen. Natürlich auch im positiven Sinne. Die iPhones sind klasse Geräte. Nur findet sich nicht einmal mehr in der Kamera ein Bauteil, das ein Upgrade vom letztjährigen Modell rechtfertigen würde. Das war beim 13 Pro anders. Professor Doktor Rieck hat in einem seiner neuesten Vorträge das iPhone-Erlebnis sehr treffend mit einem Luxushotel verglichen. Es sieht toll aus, du musst den Koffer nicht selbst ausräumen, der Gruß aus der Küche ist automatisch dabei, ja sogar das Mineralwasser wird eifrig nachgeschenkt. Doch am Ende stellt sich dadurch keine Verbesserung ein, denn die Kleider sind nicht so ausgeräumt, wie man es selbst haben möchte, den Gruß aus der Küche kann man ohne Pinzette nicht essen und auch das Getränk hätte man sich lieber aus der Speisekarte ausgewählt.
Nun zeugt diese Analogie schon von fehlender Sachkenntnis des Professors. Doch irgendwie gefiel sie mir auch. Die Dynamic Island oder RAW-Fotos konnte ich leider nicht in meine Alltagsroutine integrieren und Auto habe ich keines. Da schmelzen die neuen Funktionen schnell auf ein Häufchen zusammen.
Fazit
So sind wir wieder beim Anfang. Überlegt euch, in welche Kategorie ihr gehört. Tech-Fan oder doch rationaler Käufer? Entsprechend könnt ihr für meine Begriffe entscheiden.
Letztendlich ist ein iPhone-Kauf immer noch ein „Safe Bet“. Ihr macht damit nichts falsch und müsst keine 40 Modelle vergleichen. Und jetzt einmal ehrlich: von welcher anderen Marke kann man das ernsthaft und so einfach behaupten? Ich finde: Von gar keiner.
Und nun lasst uns gerne in die Diskussion einstimmen! Wie seht ihr das Ganze? Geben mir die iPhone 14-Nutzer unter euch Recht? Ich beteilige mich gerne an der Diskussion in den Kommentaren! 😉
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