Daumen hoch!
Schnelles Tippen mit 2 Fingern
Hat das bewehrte Zehnfingersystem ausgedient? Welche Auswirkungen hätte dieser Umstand auf die Benutzung berührungsempfindlicher Displays? Was wäre die Alternative und wie einfach gestaltet sich der Umstieg?
DIE HINTERGRÜNDE
Aus der mechanischen Notwendigkeit heraus, dass sich die Typen einer Schreibmaschine beim Anschlag möglichst wenig in die Quere kommen sollen, wurde seinerzeit das QWERTZ- bzw. im englischen Sprachraum die QWERTY-Tastaturlayout entworfen. Aus dieser Perspektive auch zweckmäßig und sinnvoll, sollte man meinen. Für viele Generationen elektronischer Schreibgeräte und PC-Tastaturen gab es hingegen, abgesehen von der einfachen Weiterverwendung dessen, was sich bis dato bewährt hat, keine technische Begründung, dieses Layout zu übernehmen. Was bei Handys auf der anderen Seite bisher offensichtlich gut funktioniert hat, war das Tippen mit dem Daumen auf dem sogenannten SAC-Tastatur-Layout. Der von der internationalen Fernmeldeunion (ITU) standardisierte SAC (Standard Ambiguous Code) bezeichnet die doppelte Belegung der Zifferntasten, so wie sie heute noch üblicherweise in der Telefonie eingesetzt wird. Die Abstände waren bei Mobiltelefonen stets ausreichend groß, um relativ zügig mit Hilfe des Daumens Nachrichten verfassen zu können. Trotzdem war die zur Verfügung stehende Fläche relativ gering, so dass eine kompakte Bauweise der Geräte ermöglicht wurde. Unterstützt wurde man durch Eingabehilfen wie T9 („Text auf 9 Tasten“), um die Eingabegeschwindigkeit auf ein ansehnliches Maß zu erhöhen.
DIE WELT IM WANDEL
Spätestens jedoch mit der Einführung der Touchscreens gibt es einige Gründe, die gegen diese Tastenanordnung sprechen. So hat es sich ohne das haptische Feedback nicht wirklich als performant erwiesen, eine solche Keyboard-Architektur auf den noch immer relativ schmalen Touch-Displays von Smartphones zu verwenden. Selbst bei aktuellen Tablets gab es berechtigte Zweifel am Optimum der bisher verwendeten Form, sowohl am QWERTZ-Layout, als auch an dem SAC-Standard der Mobiltelefone.
So ist es nicht verwunderlich, dass die Gelehrten nach neuen Wegen suchen, um an der Performanz-Schraube zu drehen. Man hat versucht, beide Systeme zu kombinieren, so dass am Ende eine Chimäre entsteht, die bisherige Systeme in den Schatten stellt.
Und so war es im Max-Plank-Institut in Saarbrücken unter der Leitung von Dr. Antti Oulasvirta gelungen, ein geteiltes Tastatur-Layout auf zwei quadratischen Flächen mit 58 mm Seitenlänge zu entwickeln, welches auf das Tippen mit den Daumen optimiert wurde, während man das Touchpanel in den Händen hält. Abgeleitet von der Tastenanordnung der rechten Hand, die neben allen Vokalen die einprägsame Tastenreihe „K, A, L, Q“ enthält, wurde das Tastaturschema entsprechend KALQ-Layout getauft.
DIE BEDIENUNG
Das Besondere an diesem Layout: während die Bedienung aller Vokale durch die rechte Hand geschieht, wird durch die linke Hand eine ganze Reihe mehr Buchstaben abgedeckt. Beide Seiten weisen eine Leertaste auf. Die Buchstaben sind insgesamt so angeordnet, dass der gleiche Daumen möglichst selten in Folge aktiv werden muss. Dieser Algorithmus wurde durch zahlreiche Kombinationen am Computer entwickelt. So kann ein simultanes Bedienen der Tastatur durch beide Daumen erreicht werden. Während ein Daumen gerade einen Buchstaben tippt, ist der andere bereits unterwegs zur nächsten virtuellen Taste.
Die Benutzung durch selbst unerfahrene Probanden konnte in wenigen Stunden Training hinsichtlich der Eingabegeschwindigkeit dahingehend gesteigert werden, dass gegenüber der Verwendung einer QWERTZ-Tastatur auf berührungssensitiven Bildschirmen eine Verbesserung um ca. 34% gemessen werden konnte. Theoretisch könnte dieser Wert sogar noch deutlich höher liegen, allerdings handelt es sich bei der Anordnung der virtuellen Tasten um eine englische Variante – viele der Probanden hingegen brachten eine andere Muttersprache mit sich und verbrauchten daher alleine schon mit der korrekten Schreibweise der Worte an sich wertvolle Zeit.
DAS ERGEBNIS
Das neue Konzept wird auf der Fachtagung CHI 2013 am 01. Mai in Paris vorgestellt. Parallel erfolgt die Bereitstellung dieser Tastatur als App für Android-Geräte. Sicher lässt die Gelegenheit nicht lange auf sich warten, dieses Konzept auch in Kürze auf dem iPad zu verwenden. Wir sind gespannt!
Thomas von Mengden gehört zum Blog- und SEO-Team von Host Europe. Das Unternehmen ist einer der größten Anbieter von Cloud Hosting in Deutschland. |